Liebe Schwestern und Brüder,
mit dem ersten Advent gehen wir in ein neues Kirchenjahr.
Vor einer Woche haben wir am letzten Sonntag des alten Kirchenjahres das Hochfest Christkönig gefeiert. Jedenfalls ist das zu Ende gehende Jahr 2020 für uns alle ein ganz besonderes Jahr. Auch das zurückliegende Kirchenjahr wird als ein außergewöhnliches Jahr in die Geschichte unserer Kirche eingehen.
Weltweit konnten Christen den Höhepunkt eines Kirchenjahres, den Einzug Jesu in Jerusalem am Palmsonntag und die drei österlichen Tage vom Leiden, Sterben und Auferstehen des Herrn nicht in der gewohnten gemeinschaftlichen Form festlich begehen.
Die Corona-Pandemie hat uns im vergangenen Kirchenjahr in Atem gehalten. Wir haben viele Unsicherheiten erlebt und müssen uns bis heute immer noch sehr in Geduld üben. Sehr vieles, was wir für das Jahr 2020 geplant hatten, konnten wir nicht in gewohnter Weise umsetzen. Neue Formate des Miteinanders waren gefragt. Videokonferenzen waren an vielen Stellen hilfreich. Und doch können sie Präsenz-veranstaltungen nicht ersetzen, die gerade in unseren Gemeinden das Miteinander prägen. Mit Dankbarkeit
blicken wir auf die Erstkommunion- und Firmfeiern zurück, die, wenn auch in außergewöhnlicher Weise, nach den Sommerferien stattfinden konnten. Bei all dem mussten wir unser gewohntes Leben, unseren Alltag einschneidend verändern.
Was vor einem Jahr noch undenkbar schien, ist für uns alle seit dem Frühjahr dieses Jahres Wirklichkeit geworden: Kontaktbeschränkungen im privaten und familiären Umfeld, erweitert auf den öffentlichen Raum, Verbot von Großver-anstaltungen, hier besonders die Prozessionen, der Karneval und die Schützenfeste, Absagen von Gottesdiensten über viele Wochen, Schließungen von Schulen und Kindertages-einrichtungen über längere Zeit, Homeoffice als neue Möglichkeit im Arbeitsalltag, Anstieg von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit.
Nicht wenige Menschen haben immer noch Existenzsorgen.
Pandemien und massive Einbrüche in das Leben eines Volkes und von Menschen hat es in der Geschichte immer gegeben. Unsere Generation hat so etwas noch nicht erlebt. Seit 75 Jahren erleben wir in unserem Land und in Europa eine friedvolle Zeit, eine Zeit des wirtschaftlichen Wohlstands und der Sicherheit.
Alles das wurde in diesem Jahr massiv in Frage gestellt. – Wer gibt uns in dieser Situation Zuversicht und Hoffnung? Wer kann uns durch die Corona-Krise führen? Wer kann uns in dieser Lage helfen? Viele Menschen haben sich in den vergangenen Wochen und Monaten diese ragen gestellt.
Die biblischen Texte im Advent berichten von schicksalshaften Erfahrungen der Menschen, von ihren Existenznöten und Unsicherheiten. In der Bibel wird damit die Hoffnung auf Gott verbunden, der rettet und heilt, meistens auf eine Weise, die sich der Mensch nicht so vorgestellt hat. Es sind Worte der Hoffnung auf Gottes heilsames Wirken, gerade in den Zeiten der Not.
Besonders deutlich wird dies in der alttestamentlichen Lesung am 3. Advent (Jes 61,1–2a.10–11). Das Volk Israel kehrt erfüllt mit der Sehnsucht nach ihrer Heimat aus der Vertreibung zurück. In der Gefangenschaft in Babylon hatten sie mit Trauer und Wehmut an Zion, an Jerusalem, ihre Gottesstadt und an den Tempel gedacht. Dabei war ihnen Gott und das Leben fern geworden. Jetzt aber dürfen sie zurück in ihre Heimat. Es erwartet sie aber eine zerstörte Stadt und ein Tempel, der in Trümmern liegt. All ihre Träume
und Pläne für die Zukunft zerplatzen. Es ist scheinbar nicht mehr ihre Heimat. Dabei müssen sie auch noch in einer neuen Abhängigkeit leben. Jetzt werden sie von den Persern unterdrückt. Hohe Steuerlasten erschweren einen Neuaufbruch in eine friedvolle Zukunft.
In diese Situation hinein erklingen die prophetischen Worte Jesájas, der einen grundlegenden Wandel ankündigt: „Der HERR hat mich gesalbt; er hat mich gesandt, um den Armen frohe Botschaft zu bringen, um die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind, um den Gefangenen Freilassung auszurufen und den Gefesselten Befreiung, um ein Gnadenjahr des HERRN auszurufen.“ (Jes 61,1–2a)
Es sind hoffnungsfrohe Worte des Mutes und Zuversicht in einer Zeit von Not und Bedrängnis. Lassen auch wir uns jetzt in der Zeit der Corona-Pandemie von den biblischen Texten des Advents ermutigen und uns auf Weihnachten vorbereiten, dem Fest der Menschwerdung Gottes, der in unseren Herzen ankommen will.
Mit einem herzlichen Gruß
Pfarrer Ansgar Heckeroth